Sonntag, 3. Mai 2015



OVB online, am 11. April 2015



Christoph Gemander wird das Trauerspiel um die Katharinenkirche zu bunt - er klagt an im raum02


Wenn der Wutbürger zum Pinsel greift

Bröckelnder Putz, Einsturzgefahr: Die Katharinenkirche gibt seit Jahren ein trauriges Bild ab. Für Ansichtskarten taugt ihr gerüstverhangenes Antlitz schon lange nicht mehr.

© OVB
"Niemand hat die Absicht eine Kirche abzureißen": Christoph Gemander und sein "Dementi". Fotos ha

"Es ist eine Schande", sagt Christoph Gemander. Und weil den Theologen und Kunstlehrer aus Mühldorf diese Schande umtreibt, begegnet er dem zunehmenden Verfall des Vorstadtkirchleins auf seine Art - mit anklagender Kunst, zu sehen unter dem Titel "Wie man eine Kirche abreißt" in der kleinen Galerie raum02 in der Weißgerberstraße.

Der Künstler Gemander hat zum Pinsel gegriffen, gemalt hat der Wutbürger in ihm. Alle stehen sie am Pranger: die Kommunalpolitik, die immer nur Reden schwingt; der Staat, der als Baulastträger nur die Kosten-Nutzen-Rechnung im Blick hat, die Mühldorfer Bürger, die keinen Anteil nehmen an der Zukunft der Katharinenkirche, die laut Gemander keine Zukunft ist: "Sie wird untergehen unter dem Aspekt der Nichtzuständigkeit."

Die nüchterne Analyse steht im harten Kontrast zur Wut, die aus Gemanders farbgewaltigen Bildern spricht. Aus dem Comic im Schaufenster, aus den Sprechblasen und -phrasen an der Wand, aus dem Protestplakat, das einen Bagger mit Abrissbirne und den Namen der zuständigen Abrissfirma zeigt: Zeit GmbH & CoKG.

Nicht alle Werke treffen so direkt ins Ziel. Was das Motiv Böllerschützen mit der Katharinenkirche zu tun hat, erschließt sich erst auf den zweiten Blick: Es geht um Traditionen, die wir pflegen. Und um solche, die uns offensichtlich egal sind. Bis zur Konsum- und Medienkritik ist es da nur ein kleiner Schritt, auch diesen Themen widmet Gemander zwei Bilder. Und alles mündet in ein Dementi. "Niemand hat die Absicht eine Kirche abzureißen" steht da in großen Lettern. Ironie auf Leinwand.

Lösungen zeigt Gemander, der Mitglied im Förderverein der Katharinenkirche ist, nicht auf, darum geht es ihm auch gar nicht. Gemander will wachrütteln - und seine Wut aus dem Bauch bekommen. Obwohl: Ideen hätte der Mühldorfer schon. "Ich würde aus dem Kult-Ort von einst einen Kultur-Ort machen. Eine Galerie für Mühldorf, das wäre was." Wird dieser Künstler-Traum einmal Wirklichkeit, sollte Gemanders "Dementi" einen Ehrenplatz bekommen.

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"Christoph Gemander - Wie man eine Kirche abreißt": April-Ausstellung im raum02, der nur nach Vereinbarung geöffnet ist. Finissage ist am Freitag, 24. April, um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei. Kontakt: info@raum-muehldorf.de


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